Vor sieben war ich wach. Um halb acht war die Kanne Tee gekocht und ich in die Decke gewickelt auf dem roten Schreibsessel. Nah am Fenster, gegen das der Regen heute Morgen fiel. Ich mag es, wenn die Stadt müde klingt. Bis 10:00 hatte ich 1.100 Wörter geschafft. Höchste Zeit ans Essen zu denken. Etwas aufzuräumen, den Schlafanzug gegen die Jeans zu tauschen.
Am Nachmittag erhielt ich Besuch. Belesenen Besuch und ich nutzte die Gelegenheit, meine Protagonisten vorzustellen und mein Leid darüber zu klagen, dass ich nicht so recht wüsste, wer mit wem und warum überhaupt. Grobe Ideen hatte ich, vor allem, nach dem der Morgen so lief, wie er lief und mir seit dem klar war, dass ich keine Fantasy daraus machen werde. In dem Gespräch entwickelten sich weitere Ansätze, mögliche Kreise, die sich schließen könnten. Manchmal dachten wir die selben Dinge zur selben Zeit. Und wir waren uns einig, wenn es etwas wird, und ich das sprachlich und überhaupt hinbekomme, ja dann … aber so was von! 😉
Wie habe ich gestern eigentlich angefangen? So ohne Plan. Ganz einfach. Mit dem, was ich am Morgen gehört oder in den letzten Tagen gesehen, erlebt hatte. Was nicht heißt, dass es in irgendeiner Form autobiografisch ist. Vielmehr bedeutet es, dass ein Dialog, der vor meinem Fenster stattfindet, oder eine Nachricht, die aus dem Radio tönt, oder ein Mann, der an der Ecke steht … irgendwie den Weg in meinen Text finden. Das hilft mir erstaunlich gut, um Anfänge zu finden. Weil ja nach jeder Szene, die ich beendet habe, die Frage entsteht. Was machen die Protas als Nächstes?
Todesurteile habe ich heute auch schon gefällt. Aber das bleibt natürlich geheim.
Hier ist ein kleiner Auszug von heute …
Sebastian schließt die Tür. Die Messingklinke lässt sich schwer herunterdrücken. Verlässt ihn die Kraft? Er hat die Hälfte der Aufgaben erledigt. Dreisatz. An Zahlen kann man sich festhalten. Sie sind eindeutig. Täuschen nichts vor. Berechenbar, wenn du die Wege begreifst. Er dreht den runden Knauf nach links. Einmal. Zweimal. X zu Hundert ist gleich …
»Was brauchst du denn so lange, Sebastian?«, die Stimme der Heimleiterin bleibt süß und bestimmt. Sie täuscht vor. Hat nichts von Mathematik an sich. Berechenbar ist sie für ihn trotzdem.
Sein Blick ist immer noch zur Tür gerichtet. Seine Hand an dem glänzenden kalten Knauf. Der langsam wärmer wird. Er will eine kalte Hand haben, die nach Metall schmeckt, wenn er sie berührt. Er hört, wie sie sich erhebt. Zwei Schritte bis zum Fenster. Sie schließt es. Einmal. Zweimal. Dann noch einmal. Einmal. Zweimal. Alte Fenster. Vier Flügel. Flügel, an denen man sich festhalten kann. Wenn man oben steht. Und doch nicht springen will. Er hat es ausprobiert.