Ich war nie ein großer Fleischesser. Manchmal habe ich trotzdem Lust darauf und da ich kein Fan von Tiertransporten und Massenhaltung bin, wähle ich vornehmlich Wildfleisch. Bisher dachte ich, dass es moralisch für mich insofern vertretbarer wäre, als dass die Tiere bis zu ihrem gewaltsamen Tode in Freiheit waren.
Bisher. Seit dem letzten Wochenende hat mein Bild Schieflage erlitten. Während einer Autofahrt lauschte ich im Radio einem Bericht über die Jagd. Eigentlich nur, weil es der einzige Sender war, den ich störungsfrei empfangen konnte. Da ich vor Jahren mit einem Jäger befreundet war, hörte ich genauer hin. Ich hatte mir damals dessen Einstellung großzügig zu eigen gemacht, denn ich selber erschlage nicht mal Fliegen vorsätzlich, bin also nicht mehr grundsätzlich gegen das Jagen, sondern sehe den Vorteil z.B. im Erlösen kranker Tiere, und nun ja, in der artgerechten Tierhaltung vor der Fleischbeschaffung. Darüber muss man nicht moralisch diskutieren. Wir sind Allesfresser und haben auch zu Urzeiten Wild erlegt, natürlich war das Kräfteverhältnis damals gerechter, aber fakt ist doch, dass diese Tiere bis zu Ihrem Tode glücklicher gelebt haben, als die meisten Hausschweine, Hühner, Enten oder Mastgänse. Dachte ich und diskutierte gleichlautend bisher häufiger mit meinem Mann, einem absoluten Jagdgegner und Vegetarier.
Doch es gibt ein düsteres Gesicht der Jagd. Hier werden z.B. Jungfüchse in ihren Bauten vergast oder mit Gülle ertränkt. Oder es werden, und jetzt wird es speziell, zuvor in Massentierhaltung gezüchtete Fasane, in Wäldern ausgesetzt, damit die Jagdgesellschaft anschließend Anlass zur gemeinschaftlichen Multi-Abschuss-Freude hat. Also habe ich als Verbraucher nun auch keine Gewissheit mehr, wenn ich über Wildfleisch denke, es wäre so was von ultrabiologisch?
Und wo bleibt der, in den Genen des Mannes liegende, Jagdtrieb, also die Freude an der Pirsch und am Erlegen, den ich nachvollziehen könnte? Es werden tatsächlich von manchen Vertretern dieser Zunft hochtechnisierte Vorrichtungen genutzt, die per SMS mitteilen, der Fuchs ist in seinem Bau und kann erlegt werden. Da verteilt also jemand Sensoren an bekannte Plätze und wenn ein Tier äsend oder schlafen gehend Bewegung meldet, wird der Sensorbesitzer per SMS verständigt. Und macht sich Gewehr greifend auf den Weg.
Höchste Zeit für Entschleunigung im Wald, da scheint es doch wohl an Zeit zu fehlen. Ich lebe in einer Gegend, in der die Wälder einem Adelsgeschlecht gehören. Ich weiß vom Hörensagen, dass die Füchse hier ein gutes Auskommen haben, weil ihr Vorteil in Sachen Mäuseverzehr bekannt und die Jagd auf sie nicht gestattet ist. Wer mein Video gesehen hat, weiß, dass unsere Region zeitweilig ihre Häuser zur Überwinterung der kleinen Nager teilt. Es scheint also ein ausgewogenes Miteinander. Jeder der sich im Wassernapf ertränkt oder vom Fuchs gefressen wird, unterliegt der natürlichen Auslese.
Ich erfreue mich also bei Autofahrten und Spaziergängen weiterhin am Anblick junger oder auch stattlicher Reinekes und werde beim nächsten Mal statt meines geliebten Wildgulaschs die Käsespätzle wählen oder den Hausherrn nach seinen Jagdgepflogenheiten fragen. Und wieder ist ein Stückchen Lack abgeblättert. Bei SMS Waldspaziergang, unbewaffnet.
Es gibt in allen Lebensbereichen Menschen, die sich vom Ursächlichen entfernen. Und düster ist´s auch dort.
Die Einstellung zum Tun ist Grundlage allen Handelns. So auch bei der Jagd.