Nun weiß auch ich, was ein Blogstöckchen ist. Einer schickt Fragen herum. Andere antworten und schicken sie weiter. So in etwa klar, oder? Ich habe jetzt also derer drei zum darauf Herumkauen. Die hat mir die liebe Frau @unangepasst freundlich vor die Füße gelegt und sie wiederum hat sie vom Herrn @Reticulum. Interessante Sache an und für sich. Das Thema … nun ja.
In Sachen Kirche bin ich so gar nicht vom Fach, also nicht mal erziehungstechnisch. Fast hätte meine Großmutter diese Weichen ja anders gestellt. Hatte meinen Eltern das Baby entführt und sich heimlich auf den Weg zum Pfarrer gemacht, damit das arme Geschöpf nicht ohne Gottes Segen aufwächst. So weit ich aus den Erzählungen meiner Familie weiß, war sie damit erfolglos, weil sie eben nur die Oma war. Allerdings … wenn ich so Revue passieren lasse, dass ich schon als Kind dachte, der da oben sieht mir zu, bin ich mir nicht so sicher, ob sie nicht doch irgendeinen Deal ausgehandelt hat. Kurz und gut … trotz mitgelebten Massengleichschritts unter der Diktatur der DDR weiß auch ich, durch welche Tür eine Kirche betreten werden kann und dass ihre Fenster meistens bunt sind. Also danke, dass ich gefragt werde und hier nun meine Antworten:
1. Kannst Du Dich an einen schönen Kirchenbesuch erinnern und was machte das Schöne daran aus?
So selten ich eine Kirche betreten habe, so schwer fällt mir die Beantwortung dieser Frage dahingehend, dass ich mich nun für den schönsten Besuch entscheiden soll. Mir fallen genau drei ein, die in ihrer Schönheit so unterschiedlich waren, dass ich keinem den Vorrang geben will. Man möge mir dies nachsehen.
Der am weitesten Zurückliegende betrifft natürlich das Weihnachtsfest, denn da fanden auch viele Ostdeutsche den Weg dorthin. (Ich rede aus meiner damaligen Sicht als Kind/Teenager) Meine Eltern immer noch nicht, dafür wiederum die andere Oma, mit der ich glücklich vor der Bescherung durch den Schnee stapfte, mit sagenhafter Akustik Weihnachtslieder sang (der Pfarrer hatte eine geniale Stimme), dem Krippenspiel folgte und – was mich besonders froh und zugleich erstaunt machte – der Ansprache des Herren in der schwarzen Robe folgte, der da mit seinen Worten nicht nur der hungernden Kinder auf der ganzen Welt gedachte sondern auch den politischen Gefangenen der DDR. Mit einem völlig neuen Gefühl lief ich an diesem Heiligabend zurück. Da war die Kirche also ein Haus, in dem sprach jemand laut und offen aus, was zu Hause nur hinter verschlossenen Türen und vorgehaltener Hand gesagt wurde.
1989 sollte sich das wiederholen. Nur nicht an Heiligabend, sondern im Oktober/ November. Plötzlich war es nämlich nicht mehr nur der Herr in schwarz, plötzlich waren es Leute wie meine Eltern, die sich drängten, drängten, drängten. Ich hatte Angst, der Balkon auf dem wir standen, würde einstürzen. Die Türen konnten nicht geschlossen werden. Die Menge war erhitzt. Raus mit der Sprache, raus, raus. Endlich ein geballtes Luftmachen. Es war der Wahnsinn. Gänsehaut pur. Abenteuerliche Aufgeregtheit. Beschützt wissen in diesem Haus, in das die Polizei nicht käme. In Geschichtsbüchern ist nachzulesen, wohin das führte. Und genau jetzt bin ich wieder so ergriffen von diesem Geist, der damals herrschte.
Einige Jahre später hatte ich meinen sehr persönlichen stillen Moment in einer kleinen Kirche in der Nähe von Passau. Irgendwo weit oben auf einem Berg. Die Familie war dabei. Wartete mit scharrenden Hufen draußen und ich gab mich der Holzbank in der letzten Reihe hin und sprach zu Gott. Ich sprach nicht laut. Ich hätte auch das Haus nicht gebraucht. Aber der Moment schien mir günstig, ihm dafür zu danken, dass er mich zwei Mal in meinem Leben von des Teufels Schippe geholt hatte. Ja, das muss ich zugeben, ich denke nach wie vor, wenn er mich gewollt hätte, hätte er mich geholt. Ich erinnere mich gut an das Kreuz, die Jesusfigur, die daran hing, die Nachmittagssonne, die dieses besondere Licht zauberte … nur er und ich und meine Dankbarkeit.
2. Welche Bedeutung hat die Kirche heute für Dich und/oder welche sollte sie Deiner Meinung nach haben?
So, da verlassen sie mich. Bedeutung? Heute? Hm … so in etwa wie ein Museum. Ich trete ein und staune. Über die Architektur zum Beispiel. Darüber, dass die Bauweise im Inneren erzielt, was sie vermutlich erzielen soll. Ich kann mich dem auch ehrfürchtig beugen, wenn ich eintrete. Ansonsten achte ich sie als den Ort, den Gläubige für sich brauchen, um dem nachgehen zu können, was sie brauchen. Also die, die die Kirche als Ort dazu aufsuchen. Ich habe dafür mein Auto oder mein Bett. Von da aus sage ich ihm Danke, wenn es gerade mega läuft in meinem Leben. Oder ich bitte ihn um Hilfe für meine Liebsten, wenn ich als schlaffer Rest meiner selbst am Boden klebe und diese Hilfe alleine nicht zu stemmen glaube.
Aber die Frage nach der Kirche bezieht sich vermutlich nicht auf das Haus sondern auf die Institution. Und damit … kann ich so rein gar nichts anfangen. Um darüber zu urteilen, fehlt es mir an Wissen. Dass damals der Papst aus Polen kam, war ja für uns Ossis irgendwie der Anfang dazu, dass wir unsere Ketten sprengen konnten. Und so kann es natürlich heute für ein anderes Land auch noch eine Chance sein, mit Hilfe der Kirche Unterdrückung zu bekämpfen. Möglich. Möglich ist auch, dass in den Häusern der Kirchen weniger gelogen und verdreht wird, als vor laufender Kamera aus den Reihen unserer Regierung. Vermutlich würde ich mich lieber dorthin gesellen, als zu dem, was die Mehrheit gewählt hat.
3. Wie muss Deiner Meinung nach ein guter Geistlicher heute sein?
Er sollte in der Lage sein, die Bedeutung der Bibel in die heutig Zeit zu überliefern und dem entsprechend seinen Schäfchen begegnen. Graue Bärte und alte Zöpfe ab! Wir haben uns weiterentwickelt. Schon allein durch die Emanzipation der Frauen, die heute in der Lage sind, eine Scheidung durchzusetzen und auf sich allein gestellt voran zu gehen. Der bedauernswerte Mann, der sie einst ehelichte und nun gern in Gottes Dienst treten will, darf dies nicht, weil er ja geschieden ist. Das ist in meinen Augen absolut unzeitgemäß!
So, man verzeihe mir meine Ausdrucksweise, unkorrekte Begriffe oder dergleichen. Ich gebe zu, ich bedaure manchmal sehr, dass die Bildung in dieser Hinsicht an mir vorbei gezogen ist. Mein Religionsunterricht hieß Staatsbürgerkunde. Und der Lehrer sah aus wie Honecker persönlich. Natürlich könnte ich dieses Defizit aufholen. Vielleicht, wenn die anderen vielen Dinge getan sind, die ich so tun will. Für meinen Glauben und meine persönliche Religion, die ich im Herzen trage, brauche ich es vorerst nicht. Ich gebe weiter an … Stephanie Urbat-Jarren weil sie „Goettin“ im Blognamen trägt 😉