Es war mal ein graues Vögelein,
das wollte für Großes vorherbestimmt sein,
futterte gierig das gebrachte Gewürm.
Eines Tages klatscht ihm ein Brett an die Stirn.
Trotzdem zwitscherte weiter es, fröhlich & fein,
war ein zielstrebiges graues Vögelein.
Mit Brett vor dem Kopf, sagte es sich,
verführn mich die bunt Gefiederten nich,
solln die sich doch ihre Hucken vollpfeifen,
ich behalte gern den hölzernen Streifen
und lass den Gesang nicht bis an mich ran,
fange lieber allein das Fliegen an!
Es flatterte wild auf des Astes Ende,
da zog das Gewicht vom Brett es behände
hinab in die Tiefe, war ein hoher Baum,
es stürzte so schnell – ja, man sah es kaum,
flog dort einem Räuber hart ins Gesicht,
mit fliegenden Brettern rechnen Räuber ja nicht.
Das Mädchen, das dem Schuft entkommen,
blieb stehen und ward ganz benommen
vom Anblick des Retters im Vogelkostüm,
Vor dir werde ich niemals nicht entfliehn,
sagt’s und hob das Vögelein auf,
und dessen Bestimmung nahm seinen Lauf.
Es bekam einen Käfig von Gold und Damast,
Diamanten aufs Federkleid – was eine Last,
stöhnte es leise, doch blieb ungehört,
denkt ja keiner, dass Prunk einen Retter stört.
Da hockt es bis heute und fragt nach dem Sinn,
und wünscht sich zurück auf Anbeginn …
© Jo Lenz, 25.03.2016