Menscheln zwischen Messeständen

Aufwirbelnde Blätter. Den Kurven entlang aus der Rhön hinaus durch den Spessart. Ich blicke mehr in den Seitenspiegel und freue mich über das tanzende Blattgold hinter mir, als dass ich auf die Straße achte. Irgendwann habe ich einen LKW aufgeholt, und strahle noch mehr über das nun VOR mir flatternde Farbspektakel, das das schwere Fahrzeug hinter sich fliegen lässt. Das so leicht ist. Wie das Leben nur sein kann. Wenn man einfach mal damit an der Reihe ist.

Die Sterne scheinen so günstig zu stehen, dass sich seit der letzten Woche in meinem Leben alles irgendwie fügt. Was gestern noch belastet wirkte, sich in Leichtigkeit ergibt. Ein ganz neues Gefühl, das ich mit offenen Armen in Empfang nehme.

Den Anfang nahm es auf der Frankfurter Buchmesse am vergangenen Mittwoch. Völlig unvorbereitet und spontan, hatte ich am Tage zuvor ein Online-Ticket auf mein Handy schicken lassen, nach dem Motto, wo ich doch nun wieder so intensiv schreibe, und nur 100 km entfernt wohne, sollte ich doch mal gucken, ob es was zu gucken gibt und es wäre doch toll, Bekannten Hallo zu sagen. Doch es kam ganz anders. Ungeplante Begegnungen bereicherten mein einsames Herumstreifen und beflügelten mit einprägsamen Statements. Die ich anknüpfen ließ an eigene Empfindungen, Gedanken, Ideen.

Da war zum Beispiel der Kunsthistoriker, der sich der Schönheit von Menschen verschiedener Epochen verschrieben hat, dafür jahrelang recherchierte und nun endlich sein Buch herausbringen wird.

Deprimiert, weil keiner der Kleinverlage, mit denen ich vor einigen Jahren hier gemeinsam vertreten war, anwesend ist, kehre ich Esther Friedmans Interview den Rücken, in dem sie über Iggy Pop und David Bowie aus dem Nähkästchen plaudert, und begebe mich in die durch Gänge treibende Menschenmenge. Da spricht er mich plötzlich an. Redet von Eleganz, von Schönheit und reicht mir die Hand. Ich sehe ihn ungläubig an und frage, ob er auch richtig hingesehen hätte, ich trüge nicht mal Strümpfe, dafür löchrige Jeans – und das am ersten Messetag, der Fachbesuchern vorbehalten ist – und sowieso käme ich mir völlig fehl am Platz vor bei so viel Wichtigkeit und Prominenz. Doch er lässt sich nicht davon abbringen. Schließlich verabreden wir uns zu einem Kaffee, später, nach seinem Verlagstermin.

Ich muss gestehen, dass ich durch die übermäßig freundliche und offene Art etwas irritiert war und überlegte, ob Mann mir angesehen hatte, dass ich für Komplimente empfänglich wäre. Aber egal, was es war, es tat mir in dem Moment so gut, dass ich wesentlich aufrechter weiter lief und prompt bei einem kleinen Messestand zum Stehen kam, bei dem zum einen das Wort BERLIN mich lockte und zum anderen der Typ, der dazu gehörte, äußerlich zu meinen löchrigen Jeans passte. Ich musst also nicht mit Fragen rechnen, die mich 2005 in Frankfurt zum Zweifeln gebracht hatten – MIT WEM WÜRDEN SIE SICH DENN VERGLEICHEN?

Ich bleibe einfach stehen, weil ich schreibe. Und der große Schotte schreibt auch. Und außerdem würde er bei einem Stammtisch vom Deutschen Schriftstellerverband regelmäßig teilnehmen. Und da könnte ich doch dann auch hinkommen, wenn ich in Berlin wäre und ob ich vielleicht am 26. Oktober auch schon Zeit hätte, dann solle ich nämlich lesen, weil er dort auch liest und sie Geld für ein Kinderhospiz sammeln. Und sie hätten auch Musik und außerdem wäre das in der Kneipe von dem alten Griechen aus der Lindenstraße.

Ich habe natürlich zugesagt. Schließlich ziehe ich am 22. Oktober in die kleine Altbauwohnung nach Schöneberg. Wenn das also kein Timing ist? Einzige Problematik wird noch sein, WAS ich lesen werde, denn Gedichte sollen es nicht sein. Aber lustig und unterhaltsam. Die Gäste wollen Spaß.

Das bringt mich etwas ins Schlingern, denn lustig bin ich beim Schlagabtausch oder in manchen Gedichten. In Geschichten eher nicht. Aber ich habe ja noch ein paar Tage Zeit und kann mir etwas überlegen.

Mein erster Messe-Tag, zu dem ich mich hatte aufraffen müssen, da ich mit Umzugsvorbereitungen und Schreibprojekten ausgefüllt war, endete für mich … mit dem üblichen Gong und der Durchsage … noch nicht ganz. Im Shuttle-Bus zum Parkhaus, fragt der Herr, der hinter mir sitzt, wie man eben so fragt,

– Na, erster Messetag herum? – Für Sie auch? – Arbeiten Sie bei einem Verlag?  – Ach, nein? – Ach, Sie sind Autorin? – bei welchem Verlag denn? – Na, da müssen Sie schon etwas selbstbewusster auftreten! –

Dann schwärmt er, der Buchhändler, von seinem besten Freund, einem Kinderbuch-Illustratoren, der weltweit schon über 200 Kinderbücher publiziert hat und dem in Japan sogar eine eigene Galerie gewidmet ist.

Wir stehen „zufällig“ im Parkhaus direkt übereinander und er sagt, dass er mir gerne ein Buch schenken würde. Ich folge ihm also auf das Parkdeck über meinem … zu seinem Wagen. Zwei Bilderbücher sucht er für mich heraus, erwähnt nebenbei, dass er für seinen Freund als Agent tätig ist.

– Ich habe ein Märchen geschrieben -, sage ich, – und suche auch noch einen Illustratoren dafür – Er mustert mich und meint, wessen Buch von seinem Freund illustriert werden würde, der würde in der ganz großen Liga mitspielen. – Naja -, sage ich und lächle verlegen. Darauf nestelt er in seiner Tasche nach einem Kärtchen und überreicht es mir, während er darauf hinweist, ich solle mich nicht wundern, wenn er sich auf meine E-Mail hin nicht melden würde. Er könne nichts versprechen. Aber ich solle einfach mal … tja, was? Ich weiß es nicht mehr genau. Ich solle es einfach tun, vielleicht?!

Am Sonntag habe ich noch mal beim großen Schotten am Stand vorbei geschaut. Er erzählt mir, wer an dem Schriftsteller-Stammtischen so alles teilnimmt. Er wäre mit bald 60 Jahren das Küken … und es wäre toll, wenn frisches Blut dazu käme.

Und plötzlich geschieht wieder etwas, was mich so dermaßen Bauchgrinsen lässt, dass es sich wie Karussellfahren anfühlt. Nicht vor Freude darüber, dass es so ist, sondern weil ich mich sooo in meiner Vorstellung bestätigt fühle, es geschieht, was geschehen soll … wir hängen an Fäden und werden sanft gelenkt, wenn wir uns lenken lassen und uns nicht verheddern –  An dem Stammtisch, zu dem ich eingeladen bin, wird der Schriftsteller sitzen, mit nunmehr 82 Jahren, von dem mein allererstes Buch war, welches ich alleine las. Es steckte 1977 in meiner Schultüte und ich habe es gelesen, gefressen, gelesen, weil mich die Fibel längst langweilte … hach.

Und der schönste Abschluss der vergangenen Woche – denn die jetzige fing genauso bombastisch an – war ein Telefonat mit meinem Kind. Mama, mir geht’s richtig gut! Und mit diesen Worten in meinem Ohr, den Geschichten von der Messe – ich habe diesmal nur das Drei-Herren-Gespann erwähnt – fliege ich durch den Herbstabend zurück in die Rhön. Blätter wedeln um mich herum … und voller Dankbarkeit schaue ich nach vorn, schäume meine Träume auf und denke wieder an die Worte einer weisen Frau: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

Licht & Liebe,

Jo.

 

5 Antworten auf „Menscheln zwischen Messeständen“

  1. Liebe Jo!
    Ich habe deinen Artikel mit einem Schmunzeln im Gesicht angefangen und mit einem breiten Lächeln im Gesicht beendet 🙂 Weil ich weiß, wovon du redest und weil ich deine Stimme dabei im Ohr habe.
    So sehr freue ich mich, dass es „sich fügt“ und – wie ich , bzw. meine Cat immer sagt – es gibt keine Zufälle. Du bist ein toller Mensch! Mach weiter so. Ich drück dich!
    Alles Liebe
    Andi

  2. … meine süße, das hört sich echt gut an!!!! 😉
    Ich wünsche Dir dafür (und für alles andere natürlich auch) ganz viel Kraft und vorallem viel Spaß!!! Du machst das!!! Vielleicht sehen wir uns ja dann in BERLIN 😉
    KUSSI

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