Zwei Monate ist das Jahr alt. Und mir geht es auch ohne Südflucht richtig gut. Mag an den Stunden liegen, die ich am Tag schreibend verbringe. Vielleicht auch am Weglassen von fiesen Kohlehydraten (wenn jemand hinsieht). An 10.000 Schritten am Tag (im Kopf). Vielleicht haben sich auch meine Hormone eingependelt – so eine zweite, fast erste, Pubertät ist ja gar nicht mal so easy zu bezwingen. Egal, was es ist, ich bin dankbar. Die Chemie im Kopf scheint natürlich und ausgewogen vor sich hin zu reisen. Wohin sie unterwegs ist, finde ich noch heraus. Sicherlich nicht nach Italien.
Was wiederum meinen Hüften prima bekommt, denn der Liebste will mir doch für aufgezwungene Textilstrände einen roten Bikini schenken. Wobei, wenn bella Iatalia die Grenzen dichtet, können sich die beiden auch wieder der Freikörperkultur am schönen Ostseestrand zuwenden. Abnehmen werde ich trotzdem!
Im Moment gehöre ich zu den Glücklichen, die ihre Hamsterkäufe schon auf die Weihnachts- und Depressionszeit verteilt hatten. Die so angefressenen Schichten, sind das, was ich „zuzusetzen“ habe. So hat man mir das vor dreißig Jahren gesagt, als mein appendix vermiformis perforiert war.
„Nur gut, dass du was zuzusetzen hast, du kannst das überleben!“, flüsterte Omi, und ich überlebte nach fünf Tagen Intensivbetreuung tatsächlich. Und nach nur zwölf Wochen Kranksein wog ich mit 1,74 noch 58 kg.
Die sieben Kilo weniger von damals hätte ich heute gern. Andererseits habe ich das sichere Non-Panik-Gefühl, dass mein Erste-Welt-Körper eine Weile lang leere Schränke überleben wird.
An der Supermarktkasse kam ich mir heute mit drei Artikeln (Rotwein, Tofu, Reiswaffeln) zwischen den anderen Zwerghamstern dennoch deplatziert vor, so mega-ignorant dem Hungertod gegenüber. Vielleicht fühlte ich mich auch minderbemittelt mit „nur“ fünf Euros in der Hand.
Die Chemie ist auf Reisen. Ich weiß es also nicht genau.
Doch der gemeine Berliner ist emphatisch. Und stellt sich in Form eines schütterhaarigen Herren hinter mich. Mit nur EINEM!!! Artikel.
Er zuckt entschuldigend die Schultern, als ich ihn mit knurrendem Magen angrinse und auf seine verlorene Packung Joghurt mit bunten Smarties schiele.
„Hach, noch so einer“, sage ich, „…dann bin ich ja nicht alleine.“
„Hat sich mein Sohn gewünscht, dass ich ihm den kaufe“, entschuldigt er sich zurück, und wir fühlen uns verbunden.
Meinem inneren Autoren entspringen wilde Phantasien, wenn ich darüber nachdenke, wo dieses krank machende Bierplagiat auf einmal herkommt. Ich bin gespannt, was der Zustand in der Summe aus uns machen wird. Wenn durch plötzlich eintretenden Winter der Verkehr lahm liegt und alles entschleunigt wird, genieße ich das schon von Kindesbeinen an. Bisher kann ich allerdings mit keinen Fotos von leeren Regalen dienen, und der Schütterhaarige und ich, Hand aufs Herz, wir haben doch auch nur noch das gekauft, was auf den Paletten vor unserer Auffahrt fehlte.
Wie dem auch sei, den Erkrankten wünsche ich weltweit gute Besserung, denen, die Verluste erleiden mussten und müssen, wünsche ich viel Kraft, den Helfenden und Organisierenden wünsche ich dankbare Patienten und Kunden, und Durchhalten. Und mir wünsche ich, dass die Gefährdeten meiner Familie sich nicht umsonst seit zig Jahren impfen lassen, auch wenn jedes Mal klar ist, dass NICHT klar ist, ob die Viren, die im Umlauf sein werden, auch in der Spritze steckten. Auf dass meine Mama mir noch laaaaange erhalten bleibt!
Licht & Liebe & genug zu Essen!
Prost, eure Jo.