Papierliebe

Ich möchte das
Programm umschalten,
Das Karussell anhalten,
Aus dem fahrenden Zug….
(Verwalten Viren Fahrpläne)
Springen und wieder frei entfalten,
Was fest gehalten auf meinem Schoß…

Nehmen Sie ihre kalten Hände da weg!
Ein Meter fünfzig, wissen Sie nicht?
Schaffner, der rückt mir zu dicht auf die Pelle,
Jetzt heben se schon die Kelle fürn Alarm!

Langsam, langsam, sagt der Querulant und
Zeigt auf das weiße Papier vor mir,
Für Ihrn zarten Schoß, Jnädigste,
reicht da nich ne Rolle
für een janzet Jahr?

© Jo Lenz, 2020

Nicht so still, wie es klingt

Zwei Monate ist das Jahr alt. Und mir geht es auch ohne Südflucht richtig gut. Mag an den Stunden liegen, die ich am Tag schreibend verbringe. Vielleicht auch am Weglassen von fiesen Kohlehydraten (wenn jemand hinsieht). An 10.000 Schritten am Tag (im Kopf). Vielleicht haben sich auch meine Hormone eingependelt – so eine zweite, fast erste, Pubertät ist ja gar nicht mal so easy zu bezwingen. Egal, was es ist, ich bin dankbar. Die Chemie im Kopf scheint natürlich und ausgewogen vor sich hin zu reisen. Wohin sie unterwegs ist, finde ich noch heraus. Sicherlich nicht nach Italien.

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Prost!

Ein Korken schmollte in der Ecke
er ward entfernt allein zum Zwecke
was er einst schützte frei zu geben
damit es geistvoll füllt mein Leben

lang schon sah ich Korken fliegen
und in dunklen Ecken liegen
zuerst allein hernach zu zwein
es schmollt ja keiner gern mag sein

dass jeden der am Boden weilte
die gleiche Einsamkeit ereilte
bevor sein Säufer sich hernach
im Fallen fast das Steißbein brach

auch mir das Herze fast bei Nacht
hat Sehnsucht keinen Schlaf gebracht
so ließ ich einen Korken fliegen
und manche Schwermut bei ihm liegen

© Jo Lenz, 27.04.2016

Blähkritik

Herr Nämlich stellte neulich fest,
dass, wenn er einen fahren lässt,
entscheidend ist, wo er das tut
und wessen Nase dort grad ruht.

Furzt er zum Beispiel in Paris,
ist’s möglich, dass man ihn erschießt.
Auch bei den Dänen kann geschehen,
dass Gegner sich den Furz besehen,

und Jahr um Jahr Herr Nämlich bangt,
dass er von denen wird belangt,
vor deren Nasen er sich reckte
und fiese flümend Zähne bleckte.
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Ab, uff den Drahtesel!

Es kommt endlich wieder Leben in die Lenden, äh in die Pedalen, der Frühling ist da. Ich also heute Morgen: nachdem mich gestern höhere Gewalt (nicht vorhandener Schlüssel) von dem Vorhaben abhielt, meine acht Kilometer Arbeitsweg auf dem Rad zu bewerkstelligen, hat heute alles gepasst. Zwar fand ich die Handschuhe nicht, aber bei Plusgraden geht das ja auch ohne. Die Schmierschicht an den Händen (Haargel plus Regenwasser) eins zwei fix an der noch trockenen Jacke abgewischt, stand dem work in nichts mehr im Wege. „Ab, uff den Drahtesel!“ weiterlesen

Ostergedicht

All die langen Nasen,
länger als Ohren von Hasen,
nicht als Zeichen von Potenz
sondern der Lüge Präsenz,
ließen sich nicht aus Eiern blasen.

© Jo Lenz, 25.03.2016

Brett vorm Kopf

Es war mal ein graues Vögelein,
das wollte für Großes vorherbestimmt sein,
futterte gierig das gebrachte Gewürm.
Eines Tages klatscht ihm ein Brett an die Stirn.
Trotzdem zwitscherte weiter es, fröhlich & fein,
war ein zielstrebiges graues Vögelein.

Mit Brett vor dem Kopf, sagte es sich,
verführn mich die bunt Gefiederten nich,
solln die sich doch ihre Hucken vollpfeifen,
ich behalte gern den hölzernen Streifen
und lass den Gesang nicht bis an mich ran,
fange lieber allein das Fliegen an!

Es flatterte wild auf des Astes Ende,
da zog das Gewicht vom Brett es behände
hinab in die Tiefe, war ein hoher Baum,
es stürzte so schnell – ja, man sah es kaum,
flog dort einem Räuber hart ins Gesicht,
mit fliegenden Brettern rechnen Räuber ja nicht.

Das Mädchen, das dem Schuft entkommen,
blieb stehen und ward ganz benommen
vom Anblick des Retters im Vogelkostüm,
Vor dir werde ich niemals nicht entfliehn,
sagt’s und hob das Vögelein auf,
und dessen Bestimmung nahm seinen Lauf.

Es bekam einen Käfig von Gold und Damast,
Diamanten aufs Federkleid – was eine Last,
stöhnte es leise, doch blieb ungehört,
denkt ja keiner, dass Prunk einen Retter stört.
Da hockt es bis heute und fragt nach dem Sinn,
und wünscht sich zurück auf Anbeginn …

© Jo Lenz, 25.03.2016

Zurück zur Natur

Schön so, morgens, bevor die Mehrheit die S-Bahn nutzt, ein halb leeres Abteil zu betreten – normalerweise bleibe ich die fünf Stationen bis zum Umsteigebahnhof an der Tür stehen, weil ich um diese Zeit und auch generell nicht so sonderlich Lust auf fremde Menschennähe habe – aber heute sind prompt gleich mehrere Vierergruppen frei. Naja, denke ich, setz ich mich ausnahmsweise mal.

Ich bin fast am Ende des Waggons, vor der letzten Tür. Dahinter befinden sich nochmal zwei Vierergruppen, auf eine fällt mein Blick. Da steht ein verdreckter Jutebeutel, oben auf liegt eine ordentlich zusammengerollte karierte Wolldecke. Der Besitzer daneben scheint in sich versunken, jedenfalls sehe ich ihn nicht. Ich versuche, den Spruch auf dem Beutel zu entziffern, denn es lohnt sich kaum, das Buch für die kurze Strecke aus dem Rucksack zu holen, und lese: „Ein großer Schritt VORWÄRTS: Zurück zur NATUR“ „Zurück zur Natur“ weiterlesen

aliens die sauriern gleichen

aliens
die sauriern gleichen
sobald sie geborgenheit lassen
sie erst die haustüren hinter sich
nur kurz
im schutz der maskerade die
alle an sich und darüber hinaus verstecken
sie erfolgreich unmoderne züge hinter büchern
und weitblicke ins nichts

zwei
in der s-bahn
wenig mehr auf bahnsteigen
die wir passieren
die silberne dame mit brille
auf deren schoß in deren
sicher warmen händen
der neueste king
„aliens die sauriern gleichen“ weiterlesen

mein leben passt mir

mein leben passt mir passt mir nicht
das kann ich lesen steht im gesicht
wenn ich es morgens im spiegel seh
der kopf dahinter tut mir weh

die worte aus zerstrittner nacht
sind mir in den schlaf gekracht
haben mein herz rasen lassen
der mund dazu ließ sich nicht fassen

mein leben lacht mich lacht mich an
das kann ich spüren schon in der bahn
wenn ich mich in der türe sehe
an der ich jeden morgen stehe
„mein leben passt mir“ weiterlesen