Schwer, wie Wackersteine

Die gute Stimmung vom Mittwochmorgen war mir zuerst im Hals stecken geblieben, dann rutschte sie tiefer. Seit dem liegt sie mir begraben von Traurigkeit im Magen. Das ist alles, was es gerade mit mir macht. Das viel zu große Stück Welt da draußen. Wackersteineschwertraurig.

Die Für- und Gegendemos im Land in Sachen #pegida drückten mir eh schon aufs Gemüt. Freunde meinen, das beruhigt sich alles wieder. Doch ich denke an ´89. Da dachte ich, die können uns nicht stoppen, wir sind zu viele, die sich das nicht länger gefallen lassen. Das macht mir Sorge, und „Wir sind das Volk“ verliert an Kraft und Sympathie. Die Menschen in Dresden, die ich in ungekürzten Interviews gesehen habe, die Stimmung, die aus dem Hintergrund in die Kameras schwappt … alles lässt mich fremdschämen. Und dabei bin ich überzeugt davon, dass es so eine geballte Kraft im Land braucht, damit sich etwas ändert. Aufklärung zum Beispiel zu einer Vielzahl an Undurchsichtigkeiten, Geldermissbrauch, Waffenhandel und somit Kriegsbeteiligung, die unser Land gefährden. Das Einfordern von Versprechungen. Aufdecken von hohlen Phrasen und Lügen. Reformationen überholter Gesetzestexte. „Schwer, wie Wackersteine“ weiterlesen

Rundumblick 31.12.2014

Wer öfter zum Reflektieren inne hält, ist mit dem Rückblick zum Jahresausklang ja viel schneller durch 😉 Für mich persönlich macht die Tatsache, in 2014 nur selten in Schockstarre gefallen und final gesund zu sein, das Jahr zu einem guten.

Regelrecht bereichert haben es jedoch die vielen Menschen, denen ich begegnen durfte, die Inspiration für Gedanken und Texte brachten, Bücher empfahlen, Gesprächspartner waren, mir Mut zu sprachen, mit mir weinten und lachten und die Menschen, die seit Jahren in Liebe zu mir stehen …

Ich finde es schwierig, auf Bestellung zu feiern, muss jedoch zugeben, in diesem Jahr hätte ich nichts dagegen gehabt, das Tanzbein mal wieder eine Nacht lang zu schwingen, na gut, beide Beine, gerade weil ich vielleicht öfter mal am Zittern war, ob es denn gesundheitlich gut bleibt. Aber … ich habe mich dann eben doch für ein alleiniges Hineingleiten entschieden.

Irgendwann mache ich bei diesem Jahreswechsel wieder mit (Versprechen an beide Tanzbeine) Heute fege ich jedoch in der Küche nur Restalkohol zusammen – ich mag’s ja rustikal – und in der 1. Runde reichte es zu einer Tasse Feuerzangenbowle, die ich mir auf viele Küsse in 2015 erhob. Küsse vom Glück, von Musen und von Marsbewohnern …

Ich wünsche mir für 2015 sehr große Dinge, die sich vermutlich viele von uns für diese unsere Welt wünschen, aber so im Kleinen, für die Welt um mich, mit den Menschen, die mir nah sind, da wünsche ich mir für jeden, der es wagen will neue Wege zu gehen, die ihn zu sich selbst und seinen Träumen führen, dass er allein den ersten Schritt schon als Gewinn anerkennt, auch wenn das Ziel unklar bleibt, denn es ist nie zu spät für Liebe, die wir uns eingestehen. Sollte es jedenfalls nie sein. Das meint nicht nur die Liebe zu anderen Menschen, es meint vor allem die Liebe zu uns selbst, zu einer Leidenschaft, die verborgen in uns schlummert, zu Träumen, von denen andere behaupten, sie wären nicht erreichbar … denn für manche ist es gefühlt das letzte, wofür es sich zu leben lohnt.

Bleibt gesund, werdet gesund, lacht, wenn euch danach ist, weint, wenn es eben sein muss … „voll das Leben“, so oft es geht. Fühlt euch umarmt. Ich fege jetzt für die 2. Runde durch die Küche. Da steht noch angefangener Rotwein 😉

Licht & Liebe, eure Jo.

es gruselt mir

In den 70ern und 80ern, in der Nähe von Berlin:

5 Jahre – In der S-Bahn:
»Mama, da wo die weißen Häuser sind, da wohnt Oma, stimmt‘?«
»Psst. Nicht so laut …«
»Und warum dürfen wir da jetzt nicht hin?«
»Psst! Du sollst das nicht fragen!«

12 Jahre – In der Schule:
»Hey, ich habe ’ne neue Bravo …«
»WAS? ’ne BRAAAVOOO? Echt jetzt? Hat dein Opa wieder geschmuggelt?«
»Pssst. Nich so laut! Darf doch keiner wissen.«
»FUNK UHR – eine Mark! FUNK UHR – eine Mark!«
»Bist du verrückt?! Das ist Westwerbung!«

Vision 20XX – überall in Deutschland:
Die Mauer ist weg. Eine neue muss her. Rund um Deutschland. Und jeder, der nicht ÜBERALL unsere Sprache spricht, gehört über die Mauer gehievt. Und muss dann jeder, der nur deutsch spricht, für immer drin bleiben? Oder wird vielleicht auch innerhalb wieder eine Steinwand gezogen? Könnte doch. Hätten Künstler wieder Fläche. Und wenn, wie liefe das dann ab? So ganz ad hoc? Über Nacht? Oder dürften vorher alle entscheiden, auf welche Seite sie hüpfen? „es gruselt mir“ weiterlesen

manche sehen liebe anders

Gestern bei Twitter … hatte ich einen kurzen Wortwechsel mit Detlef Cordes, alias @musikwerk. Mir war sein Profilbilddoppelwechsel aufgefallen – hin zu Weihnachten, weg von Weihnachten – aber das tut nix weiter zur Sache. Jedenfalls erwähnte er bei der Gelegenheit, er hätte heute öfter an meinen Blog gedacht. (Mein Ego lässt sich gerne pinseln, was meine Schreiberei angeht. Bis dahin wusste ich ja nicht mal, dass er meinen Blog kennt.) Ich fragte also erstaunt zurück, Ach? Woran genau?
Einige Minuten später schickte er mir den Link zu folgendem Text … und das hat in meinem Herzen ganz schön Zooooom gemacht. Aus zwei Gründen, aber hier erstmal der Text von Detlef Cordes:

„manche sehen liebe anders“ weiterlesen

Sterbeunterbrechung

Ende Mai stellten wir fest, dass das Päckchen mit den Kreuzworträtselheften nicht in Thailand angekommen war. Nochmals würden wir es nicht schicken wollen. Das Porto war nicht unerheblich. Im Juli würde ein Freund meines Vaters sowieso rüber fliegen und der könne die doch mitnehmen und direkt übergeben. Meine Oma nämlich liebt Kreuzworträtsel. Ich war insgeheim froh, dass sie weiterhin so fit ist, stand doch unser Interview noch aus, das wir besprochen hatten, für ein Buch … weil sie eben so ein wundervolles Original ist, deren Augen und Hände schon für manche Protagonistin herhalten mussten, und überhaupt, ihr ganzes Wesen, ihr Humor, ihr Putz …

Am 29.06.2014 starb sie, ohne dass ich sie nach ihrem Umzug vor drei Jahren wiedergesehen habe.  „Sterbeunterbrechung“ weiterlesen

lass uns davongleiten

Du musst dich nur tief genug ins Dunkle hocken. Die Höhle finden zwischen den Knien. Nase versunken. Augen zu und durch, umarmen dich schweigsam die eigenen Glieder, die nichts fassen können in diesem Augenblick als die Gewalt der Schreie, die stumm den Verstand aushöhlen. Vielleicht springst du ins Meer. Gleitest kristallklar umgeben von dem, was kein Mensch steuern kann. Du hörst das Singen der Wale, die um den Rest Platz dahin gleiten, weil die an Land nicht zuhören und alles weiter drehen sie ihre Runden. Du findest sie in den Strömen, die dich ziehen und stoßen. Du musst doch nur die Augen geschlossen halten in der Höhle zwischen deinen Knien. „lass uns davongleiten“ weiterlesen

Nachts, wenn in mich Liebe fährt

Das Leben. In mir. Auch ganz nah dran außen herum. Wenn das so voll ist, dass ich nur ganz enge Kreise schwimmen kann. Voll mit Dunkelheit und dem dagegen Anstinken.
Das Leben in mir. Das im Jetzt. Wenn das so sehr Jetzt ist, dass ich erst durch andere erfahre, dass erster Advent ist. Am ersten Advent. Oder das erste Türchen zu öffnen gewesen wäre. Am ersten Dezember. Keine Ahnung, wo und mit wem ich an Weihnachten sein werde … „Nachts, wenn in mich Liebe fährt“ weiterlesen

Tindergedanken

Immer wenn ich Fernweh habe, spiele ich mit fremder Leute Urlaubsbildern. Bei Tinder.

Ich selbst habe aus purer Unwissenheit den Fehler gemacht, im Vorfeld keinen Tauchkurs zu belegen oder das obligatorische Tandem zu bespringen. Nicht mal in den Urlaub bin ich geflogen, um mich lasziv am Strand zu selfen. „Tindergedanken“ weiterlesen

let them live

Wenn’s nach mir ginge, dürften sich alle Steckdosen so lange im Dreck suhlen, bis das Futter kommt. Denn den Arzt bräuchten sie so kaum. Und sowieso braucht keine Sau Gitterstäbe und unbewegliches Sein zum Leben. Ich auch nicht. Leben sollten sie, wie ich, doch so gut es geht. Wo die Natur Schlamm vorgesehen hat, zum Beispiel, oder Schlemmereien. Schön wäre das, denke ich und schnipple die Zucchini klein. Dabei denke ich an die Sau, in deren Stall ich mal gefallen bin, als ich zwölf war.

Ich stand zum Strohballeneinstapeln am Ausguck über dem Schweinestall und meine Tante, bei der ich die Ferien in Neddemin, einem damals 300-Seelen-Nest nördlich von Neubrandenburg, verbrachte, warf mir die Ballen von der Ladefläche des LKW nach oben. Schön war das. Schöne freie Ferien. Gerade als ich wieder einen Ballen nach hinten auf den Heuboden schleppte, um ihn auf die bereits gestapelten Goldreihen zu legen, gab es einen ungeheuren Knall. Mehr ein Krachen. Meine Tante schrie und unter mir gab der Boden nach.
»Die Scheune stürzt ein! Bruno, komm doch bloß. Das Mädel ist da oben. Die Sau. Die Ferkel. Bruuuunooo!«

Ich verstand die Aufregung nicht. Glaubte gar nicht, was da geschah. Ich lag auf dem Rücken. Krallte mich an Stroh über und unter mir und fixierte die Seitenwände, die mir vorgaukelten, dass der Boden immer weiter nach unten absackte. Ich lag und rief, um meine Tante zu beruhigen, mir geht es gut. Nichts passiert. Aber der Schiss so weit unterhalb der Stelle, an der ich eben noch mit Wonne den Sommer auf der Haut kratzen gespürt hatte, war mir doch in die Glieder gefahren. Ich werde dann ganz ruhig. Wenn es so richtig brenzlig ist, schalten meine Systeme auf low budget (es sei denn, meine Kinder sind betroffen).

10671277_346423018872753_6568768326949667063_nUnter mir, ganz nah bei mir, säugte die Sau ihre Ferkel, die erst zwei Tage vorher auf die Welt gekommen waren. Ich dachte die ganze Zeit daran, dass Schweine ganz furchtbare Beißer sein sollen, weil sie sich festbeißen und nicht mehr loslassen. Das wollte ich auf keinen Fall. Aber sie lag da. Ganz ruhig. Die winzigen rosa Steckdosen nuckelten an ihr und sie grunzte zufrieden. Der gebrochene Balken hatte sie verfehlt. Und weil wohl die Panik meiner Tante für alle anwesenden Lebewesen ausreichte, verfielen die Sau, samt Ferkel und meine Wenigkeit nicht in die Selbe.

Und seit dem liebe ich Steckdosen. Auch wenn sie groß sind. Und ich hasse Bilder und die, die sie verursachen, von dermaßen würdelosem Umgang mit diesen großartigen Tieren. If you urgent have to eat pork, let them live before, PLEASE!!