Wenn der Rahmen drum herum wertvoll ist

»Wo bleiben wir nur?« fragte mich Hans gestern per SMS, Samstag war’s. Er im Büro in der 12 km entfernten Stadt. Ich in meiner Schreibstube in Roßbach, gerade nicht unterm Dach, weil’s mir dort zu kalt ist, sondern im 1. Stock im Gästezimmer, in das ich mich mit all meinen Arbeitsheften zum Literarischen Schreiben, mit Notizbüchern, dem IPad, Laptop, Handy, zwei Romanen und zwei nicht funktionierenden Kugelschreibern vor knapp 2 Wochen zurückgezogen habe.
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Ich lese. Ich schreibe. Ich denke. Manchmal auch andersherum. Es macht Sinn, vor dem Schreiben zu denken. Manchmal. Zwischendurch packt mich der Hunger. Dann schlurfe ich in von Mami gefilzten Schlupflatschen vorsichtig die alte Holztreppe hinunter, die unter jedem meiner Tritte hingebungsvoll ächzt und knarrt. Ich habe Respekt vor ihr, brachte sie mich doch ein knappes Jahr zuvor so unsanft und wiederum doch liebevoll zu Fall, dass ich zwar noch heute Dellen und Schmerzen zu spüren scheine, aber ich spüre überhaupt, kann laufen, reden, lachen, weinen und … denken. Sie wollte mich also nur warnen, mit ihrer über 200 Jahre alten Geschichte und dem Wissen über unsere Art zu leben und Treppen hinauf und hinunter zu springen, spurten, hechten, schreiten, wanken … und bisweilen eben zu fallen.

Meist schmiere ich mir, sicher unten angekommen, ein Brot. Belege es mit Käsescheiben. So vorhanden, genehmige ich mir ein Gläschen Roten, schenke mir also Selbiges ein und schlurfe mit dem Mahl bewaffnet die Treppenstufen wieder hinauf. Oben angekommen, schiebe ich die Unterlagen auf dem Tisch meiner Schreibstube soweit zusammen, dass Teller und Rotweinglas Platz finden, um aufrecht stehen und bleiben zu können. Ich lasse es mir schmecken.

Leicht benebelt entwerfe ich bald weiter Songtexte und halte Gedankenblasen in Notizbüchern fest. Mein Schreibgerät reicht meist für nur einen Vers, dann verliert sich die in der Kulispitze angesammelte Resttinte im Nichts meiner Dichterhand. Ich schwenke dann um auf ein Schreibprogramm, dass sich gleichsam auf Handy, IPad und den großen IMac befindet und ständig automatisch synchronisiert. Einen Gedanken also, den ich noch im Bette liegend in mein Handy tippe, kann ich, geduscht und zivilisiert aufrecht sitzend im Büro am Rechner weiter durchdenken, korrigieren, fortführen, beenden. Oder löschen. Was ich nicht tue, also letzteres jedenfalls nicht.
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Vor mir auf dem Tisch liegt ein Weihnachtsgeschenk. Handgeschöpftes Papier, gebunden in geprägtem rotbraunem Leder. Ein geschmückter indischer Elefant scheint eifrig Neuigkeiten mitteilen zu wollen. Seine Beinstellung verrät mir, dass er hurtig läuft. Sein Rüssel ist zum Trompeten erhoben, Die Stoßzähne stehen waagerecht. Er wird leider nicht weit kommen, da er umrahmt von Blütenteilen und grafischen Ornamenten auf den Verbleib in der Mitte des Buchdeckels gezwungen wird.

Langsam öffne ich den Knoten und wickle den Faden auf, der das Leder zusammen hält. Ich rieche an den Innenseite des Einbandes. Dort lässt sich blass die Elefantenprägung erahnen, auch den Rahmen darum und ich presse meine Nase auf das Papier, schließe die Augen und überlege zum wiederholten Male, welcher Text gut genug sein könnte, auf den vielen Seiten festgehalten zu werden. Ich stelle mir vor, wer mit Liebe und der Notwendigkeit, Geld zu verdienen, dieses kleine Kunstwerk geschaffen hat und getraue mich einfach nicht, halbgegorenes Gedankengut zum Streichen und Verbessern oder gar Durchstreichen und für Schlecht befinden und nie wieder Ansehen, dort zu Papier zu bringen.

Nur etwas fällt mir ein, das ich auf Anhieb mit einem Bleistift, dessen Miene mich nicht im Stich lassen wird, ohne Zögern niederschreibe:

Vor manchem Bilde
Steht nun der Betrachter
Und wähnt:
Der Rahmen drum herum
Wäre das Wertvollste
Was er zu erkennen vermag
So komme ich ins Grübeln nun
Beim Anblick
Handgeschöpften Papiers
Ob denn meine Gedanken
An Wert
Dem Schöpfer genügen
Können.

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